Schulterimpingment
- torstengradt
- 28. Juli
- 14 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Juli
SIE HABEN ODER KENNEN JEMANDEN MIT EINEM SCHULTERIMPINGEMENT?
Wir fassen auf dieser Seite alle wichtigsten Infos zusammen.
INHALTSVERZEICHNIS
Lieber Kunde, Patient und/oder (Fach)Arzt,
Sie haben Schulterschmerzen oder die Diagnose „Schulterimpingement“ erhalten? Vielleicht fragen Sie sich, was das genau bedeutet, wie Ihre Schulter funktioniert und was Sie nun tun sollten. Mit dieser Seite möchten wir Ihnen verständlich erklären, was hinter dieser häufigen Diagnose steckt, wie die Schulter aufgebaut ist, warum der Begriff „Impingement“ nicht immer passt – und vor allem, was Sie konkret tun können, um Ihre Beschwerden zu lindern.
Unsere Informationen basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Studien und jahrelanger Praxiserfahrung. So können Sie besser verstehen, was Ihre Beschwerden verursacht (und was nicht), und wie eine wirkungsvolle Behandlung aussieht.
Was bedeutet „Impingement“ eigentlich? „Impingement“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Einklemmung“. Viele verwenden diesen Begriff, um Schmerzen in der Schulter zu erklären, besonders beim Heben des Arms. Dabei ist aber oft gar nichts wirklich eingeklemmt – zumindest nicht so, wie man es sich bildlich vorstellt. Vielmehr werden Schmerzen durch eine Reizung von Sehnen, Muskeln oder Schleimbeuteln im engen Raum unter dem Schulterdach ausgelöst.
Auf dieser Seite erfahren Sie:
warum die Bezeichnung „Impingement“ eigentlich ungenau ist,
warum eine Operation oft nicht notwendig ist,
und wie Sie mit gezieltem Training Ihre Schmerzen lindern und Ihre Beweglichkeit verbessern können.
Anatomie
Die Schulter ist eines der beweglichsten Gelenke im Körper – und das liegt daran, dass sie aus einem Zusammenspiel von mehreren Gelenken und vielen Muskeln besteht:
Das Schulterhauptgelenk (medizinisch: Glenohumeralgelenk): Verbindet den Oberarm mit dem Schulterblatt. Hier sorgt die sogenannte Rotatorenmanschette – ein Muskel- und Sehnenmantel – dafür, dass der Oberarm stabil in der Gelenkpfanne bleibt.
Das Schultereckgelenk (AC-Gelenk): Verbindet das Schulterdach (Acromion) mit dem Schlüsselbein.
Das Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk (SC-Gelenk): Verbindet das Brustbein mit dem Schlüsselbein.
Das Schulterblatt-Brustkorb-Gelenk: Keine echtes Gelenk, aber eine wichtige gleitende Verbindung zwischen Schulterblatt und Brustkorb.
Das Zusammenspiel dieser Strukturen sorgt dafür, dass wir unseren Arm in nahezu alle Richtungen frei bewegen können.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Schulteranatomie

Wie entsteht der Schulterschmerz ?
Besonders der Raum unter dem Schulterdach – der sogenannte subacromiale Raum – ist sehr eng.1 In diesem Raum verlaufen wichtige Strukturen wie die Sehnen der Rotatorenmanschette, ein Schleimbeutel und Teile der Bizepssehne. Wird einer dieser Bereiche gereizt oder entzündet, kann das zu Schmerzen führen – besonders beim Heben des Arms.
Dabei ist aber wichtig: Nicht die Enge an sich ist das Problem. Studien zeigen, dass Menschen mit und ohne Schulterschmerzen oft die gleiche „Enge“ im Schulterraum haben. Auch Operationen, bei denen dieser Raum „vergrößert“ wird, bringen laut Studien kaum Vorteile gegenüber keiner oder einer Schein-Operation.2
Deshalb ist es hilfreicher, von einem „subacromialen Schmerzsyndrom“ zu sprechen – also Schmerzen im Bereich unter dem Schulterdach –, statt vom „Impingement“ als Ursache auszugehen.

Warum der Begriff „Schulterimpingement“ nicht korrekt ist
In der Vergangenheit wurde angenommen, dass die Strukturen im Schultergelenk mechanisch eingeklemmt werden – und dadurch Schmerzen entstehen. Heute weiß man: Diese Theorie greift zu kurz.
Studien zeigen:
Der Abstand zwischen Schulterdach und Oberarmknochen ist bei Menschen mit und ohne Schmerzen oft gleich.2
Der sogenannte „Painful Arc“ – Schmerzen beim Heben des Arms zwischen 60 und 120 Grad – lässt sich nicht durch eine mechanische Einklemmung erklären. Die Sehnen rutschen dabei frühzeitig unter das Schulterdach hinweg.3,4
In Ruhe (wenn der Arm einfach herunterhängt) ist der Druck auf die Sehnen oft sogar höher als bei einer Bewegung.5
Hinzu kommt: Auch in anderen Körperregionen gibt es „Einengungen“, z. B. beim Beugen des Fingers oder Knies. Niemand würde deshalb von einem „Fingerimpingement“ sprechen.
Fazit: „Impingement“ ist kein klar definierter medizinischer Begriff. Besser ist es, von „subacromialen Schmerzen“ zu sprechen – also von Beschwerden, die im Bereich unter dem Schulterdach entstehen können.
Die Ursache liegt meist nicht in einer Einklemmung, sondern in einer Reizung oder Überlastung von Sehnen, Schleimbeutel oder anderen Strukturen. Und das Gute ist: Diese Probleme lassen sich fast immer ohne Operation behandeln – mit Bewegung, gezieltem Training und etwas Geduld.6

Diagnostik
Auch wenn das Wort „Impingement“ als Erklärung nicht hilfreich ist, können die Strukturen im Bereich unter dem Schulterdach sehr wohl schmerzhaft sein. Mediziner sprechen dann besser von einem „subacromialen Schmerzsyndrom“. Folgende Bereiche kommen als Schmerzursache infrage:
Die Rotatorenmanschette
Die Sehnen dieser wichtigen Muskelgruppe können durch eine reduzierte Belastbarkeit, Alterungsprozesse oder eingeschränkte Durchblutung gereizt werden. Man spricht dann von einer „Tendinopathie“ – also einer Sehnenerkrankung ohne Entzündung. Die Sehne wird dabei oft dicker, schmerzempfindlicher und weniger belastbar.
Auch Risse in der Rotatorenmanschette kommen vor – besonders bei Menschen über 50. Doch keine Panik: Viele dieser Risse sind völlig schmerzfrei und müssen nicht operiert werden. Sie sind oft Teil des natürlichen Alterungsprozesses – ähnlich wie graue Haare oder Falten. Gleichzeitig kann man sich diese „Risse“ meistens eher wie Löcher in einem Teppich vorstellen. Trotz dieser „Löcher“ ist die Struktur immer noch stabil.7,8 Wichtig ist nicht das Bild im MRT, sondern ob tatsächlich Beschwerden bestehen und wie stark diese den Alltag beeinflussen.

Der Schleimbeutel
Der Schleimbeutel ist eine Art „Puffer“ zwischen Muskeln, Sehnen und Knochen. Bei Überlastung oder einem Sturz kann er sich entzünden und Schmerzen verursachen. Eine dickere Schleimbeutel-Schicht ist im Ultraschall sichtbar, bedeutet aber nicht automatisch, dass sie die Ursache der Schmerzen ist.
Meist ist eine Schleimbeutelentzündung nur vorübergehend und tritt zusammen mit anderen Reizungen auf.9 Auch hier hilft: kurzfristige Schonung – und dann wieder gezielter Belastungsaufbau.
Oft wird eine Schleimbeutelentzündung behandelt, indem eine Kortison-Spritze gesetzt wird. Der große Nachteil hierbei ist jedoch der, dass das Kortison Sehnenzellen tötet.10 Studien zeigen, dass eine subacromiale Kortison-Spritze nicht effektiver ist als Placebo. 11
Kalkablagerungen
Manchmal lagert sich Kalk in Sehnen ab. Das kann die Beweglichkeit einschränken oder Schmerzen verursachen – muss es aber nicht. Viele Menschen haben Kalkablagerungen, ohne etwas davon zu merken.12 Nur wenn starke Beschwerden auftreten, ist eine gezielte Behandlung nötig. Tendenziell treten Ablagerungen öfter bei Menschen mit hohen BMI auf.13
Das Labrum und die Bizepssehne
Das Labrum ist ein knorpeliger Ring, der die Schulterpfanne stabilisiert. Auch hier kann es zu kleinen Rissen kommen – sogenannte SLAP-Läsionen. Diese sind schwer zu diagnostizieren und in über 70% der Fälle symptomfrei.14 Ähnliches gilt für die Bizepssehne, die nahe am Labrum ansetzt. Auch sie kann gereizt sein – meist in Kombination mit anderen Problemen.15,16
Fazit zur Diagnostik:
Nicht jede auffällige Struktur im Bild oder Ultraschall ist automatisch die Ursache der Schmerzen. Wichtig ist immer das Zusammenspiel aus Symptomen, Bewegungseinschränkungen und Funktionsverlust. Eine gute Diagnostik schaut auf das Gesamtbild – und nicht nur auf einzelne MRT-Befunde.
Mythen
Viele glauben, dass eine krumme oder nach vorn geneigte Körperhaltung Schulterschmerzen verursacht. Zwar kann sich eine extreme Haltung auf die Beweglichkeit auswirken – aber sie ist selten die direkte Ursache für Schmerzen. Studien zeigen: Menschen mit schlechter Haltung haben nicht automatisch mehr Beschwerden als andere.
„Mein Schulterblatt bewegt sich nicht richtig.“
Auch die Vorstellung, dass das Schulterblatt exakt im richtigen Verhältnis zum Oberarmknochen mitbewegt werden muss (z. B. 2:1-Verhältnis), ist überholt. Jeder Mensch bewegt sich individuell. Abweichungen sind völlig normal und nicht automatisch problematisch. Schmerzen können auch auftreten, wenn alle Bewegungen „korrekt“ ablaufen – und umgekehrt.
„Ich muss mich schonen, um meine Schulter zu schützen.“
Das Gegenteil ist meistens der Fall. Schonung über längere Zeit kann die Schulter unbeweglicher und empfindlicher machen. Bewegung ist wichtig – angepasst und gezielt. Training stärkt nicht nur die Muskulatur, sondern auch das Vertrauen in die eigene Belastbarkeit.
Fazit: Nicht jede Erklärung, die man hört oder im Internet liest, ist wissenschaftlich fundiert. Lassen Sie sich nicht verunsichern. Schmerzen entstehen selten durch einen einzelnen „Fehler“ im Körper. Meist spielen mehrere Faktoren eine Rolle – und die gute Nachricht ist: Viele davon lassen sich beeinflussen.
Operation? Ja oder nein?
Viele Patientinnen und Patienten denken bei Schulterschmerzen schnell an eine Operation – besonders wenn Begriffe wie „Impingement“, „Sehnenriss“ oder „Engpass“ fallen. Doch eine OP ist in den meisten Fällen nicht notwendig. Studien zeigen eindeutig, dass konservative Maßnahmen – also gezieltes Training und Bewegungstherapie – mindestens genauso wirksam sind wie eine Operation.

Warum wird trotzdem oft operiert?
Das liegt unter anderem daran, dass man früher glaubte, eine Verengung unter dem Schulterdach (subacromialer Raum) sei die Hauptursache für Schmerzen. Daraus entstand die Idee, diesen Raum operativ zu „vergrößern“ – durch eine sogenannte Dekompression. Mittlerweile weiß man jedoch: Diese Operation bringt keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber einem gezielten Trainingsprogramm. In Studien zeigten sich kaum Unterschiede zwischen operierten Personen, Placebo-OPs oder gar keiner Behandlung.33,34,35
Auch der Winkel des Schulterdaches wird oft überbewertet.
Manche Schultern haben ein „gekrümmteres“ Schulterdach (Typ II oder III). Das galt lange als Risikofaktor – heute weiß man: Auch Menschen mit diesen Formen haben oft keinerlei Beschwerden. Der Winkel allein ist also kein Grund zur Operation.

Was ist mit einem Riss in der Rotatorenmanschette?
Auch hier gilt: Ein Riss – selbst ein vollständiger – muss nicht automatisch operiert werden. Viele Menschen haben solche Risse ohne jegliche Symptome. Wichtig ist, ob der Riss zu funktionellen Einschränkungen führt, Schmerzen verursacht und sich durch konservative Maßnahmen nicht bessert.37,38
Wann macht eine Operation Sinn?
Eine OP kann dann erwogen werden, wenn:
der Riss sehr groß ist (z. B. über 1,5 cm, mehrere Sehnen betroffen),
die Beschwerden trotz mehrmonatiger Therapie unverändert bleiben,
starke nächtliche Schmerzen auftreten,
ein plötzlicher Funktionsverlust nach einem Unfall besteht,
der Patient jung, aktiv und gesund ist und ein schnelles Wiedererlangen der Schulterfunktion wichtig ist (z. B. beruflich oder sportlich).
Wichtig ist: Eine Operation ist kein schneller Ausweg, sondern erfordert ebenfalls eine lange Rehabilitationsphase – oft mehrere Monate. Auch nach der OP ist aktives Training entscheidend für den Erfolg.
Fazit:
Eine Operation kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein – aber sie ist bei Schulterschmerzen nicht der Regelfall. Meistens lassen sich Beschwerden mit gezielter Bewegung, Geduld und professioneller Begleitung ebenso gut – oder sogar besser – in den Griff bekommen.
Was können Sie als Patient oder Arzt bei/von uns erwarten?
Wenn Sie zu uns in die Praxis kommen, beginnt Ihre Therapie mit einem ausführlichen Gespräch. Wir wollen genau verstehen, wo Ihre Beschwerden liegen, was Sie im Alltag belastet und welche Ziele Sie haben. Anschließend folgt eine gründliche körperliche Untersuchung, bei der wir Ihre Beweglichkeit, Kraft und Funktion testen.
Gemeinsam mit Ihnen erstellen wir ein individuelles Therapieprogramm. Dieses orientiert sich an Ihren Lebensumständen – ob Sie beruflich stark gefordert sind, sportlich aktiv oder einfach wieder schmerzfrei schlafen und den Arm heben möchten.
Unsere Grundprinzipien dabei sind:
Verständnis schaffen: Wir erklären Ihnen genau, was Ihre Beschwerden bedeuten, warum Sie Schmerzen haben und was dagegen hilft. Wir wollen, dass Sie Ihre Schulter besser verstehen – und keine Angst vor Bewegung haben.
Bewegung fördern: Unser Ziel ist es, Ihre Schulter aktiv und belastbar zu machen. Dafür setzen wir auf gezieltes Training, das an Ihre Leistungsfähigkeit angepasst wird – und sich mit der Zeit steigert.
Faktoren erkennen, die Heilung behindern: Dazu zählen zum Beispiel Beweglichkeitseinschränkungen in der Brustwirbelsäule oder ein allgemein schlechter Regenerationszustand. Auch Lebensstil, Ernährung, Stress oder Schlaf können eine Rolle spielen.
Therapie anpassen: Je nach Fortschritt passen wir Ihre Übungen und Maßnahmen laufend an. Wenn nötig, nutzen wir ergänzend manuelle Therapie oder andere unterstützende Methoden – aber immer mit dem Ziel, Sie selbstständig und aktiv zu machen.
Wenn gewünscht, bieten wir Ihnen auch längere Therapieeinheiten an, um intensiver an komplexen oder chronischen Problemen zu arbeiten. So holen wir gemeinsam das Beste aus Ihrer Behandlung heraus.
FAZIT
Das Impingement-Syndrom der Schulter ist kein mechanisches Problem im klassischen Sinn, wie lange Zeit angenommen wurde. Vielmehr zeigen moderne wissenschaftliche Erkenntnisse, dass Schulterschmerzen häufig durch eine Reizung oder eine reduzierte Belastbarkeit von Sehnen, Schleimbeuteln oder anderen Weichteilstrukturen entstehen – nicht durch eine bloße „Einklemmung“.
Operationen zur Vergrößerung des subacromialen Raums oder zur Beseitigung vermeintlicher Engstellen sind in den meisten Fällen nicht notwendig. Eine gezielte, individuell angepasste Bewegungstherapie ist oft mindestens genauso effektiv – ganz ohne die Risiken einer Operation.
Im Mittelpunkt der Behandlung steht die Bewegungserweiterung und Kräftigung der Schultermuskulatur, insbesondere der Rotatorenmanschette. Begleitend sollte auf eine gute allgemeine Regeneration geachtet werden – dazu gehören Ernährung, Schlaf und der Umgang mit psychosozialen Faktoren.
Patienten profitieren am meisten von einem aktiven, aufbauenden Ansatz mit individueller Betreuung, realistischen Erwartungen und einer verständlichen Aufklärung. Angst und Unsicherheit können durch Wissen und gezielte Bewegung ersetzt werden – und damit der Grundstein für eine schmerzfreie Schulter gelegt werden. Hilfe bieten wir hier im Therapie und Sport Barssel







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